Interview mit der Autorin Dr. Maja-Lisa Müller
Das Werk Gespaltene Bilder. Techniken, Materialitäten und Medien der Intarsie aus der Rombach-Wissenschaft-Reihe Theorie und Geschichte der Kulturtechniken befasst sich mit Intarsien der Renaissance aus interdisziplinärer Perspektive. Unser Verlag hat mit der Autorin Dr. Maja-Lisa Müller über die Untersuchung dieses hybriden Gegenstands gesprochen:
Ihr Buch setzt sich intensiv mit Material, Funktion, Herstellung und Darstellung der Intarsien auseinander – es geht um eine dem Medium eigene Bildsprache. Warum haben Sie eine medienmaterialistische und kulturtechnische Herangehensweise gewählt?
„Die Materialität des Mediums ist in diesem Gegenstand einfach unhintergehbar. Trotz des vielfach besprochenen Trompe-l’œil-Effekts, also der sogenannten Augentäuschung, lässt sich nicht ignorieren, dass es sich um Bildräume aus Holz handelt. Das hat die These nahegelegt, dass das Holz hier von entscheidender Bedeutung ist, sowohl in seinen materiellen als auch symbolischen Eigenschaften. Die Trompe-l’œils sind hier so erfolgreich, weil das Holz in zweifacher Hinsicht auftritt: als darstellendes und dargestelltes Material, es ist Zeichen und Ding zugleich. Von daher werden auch die Grenzen von Bild und Nicht-Bild immer wieder verwischt. Die Stücke der Intarsie sind in die Bilder eingebettet, die Bilder in die Möbel, die Möbel in die Architektur und die menschlichen Subjekte wiederum in die Bilder. Diese Rekursionen legten eine kulturtechnische Herangehensweise nahe, die genau diese Übersetzungsketten von Menschen zu den Operationen zu den Dingen und wieder zurück zugrunde legt.“
Sie greifen auf unterschiedliche disziplinäre Perspektiven zurück, um den hybriden Charakter der Holzeinlegearbeiten zu erfassen – wie hat dies Ihre Argumentation geprägt?
„Es wurde mir relativ früh in der Recherche klar, dass Intarsien Gegenstände sind, die diverse disziplinäre Zugriffe benötigen: als Möbelstücke kommen sie in täglichen Kontakt mit den Menschen, die sie verwenden; als Wandpaneele bilden sie Räume aus; als Trompe-l’œils verweisen sie immer wieder auf ihre eigene Medialität und Materialität zurück. Ich verstehe all diese Kontexte als miteinander verwoben, habe dann aber versucht, sie ein wenig zu separieren. Das machte es dann notwendig, unterschiedliche disziplinäre Perspektiven einzubeziehen: was wissen Restaurator:innen über Material und Technik? Was kann die Kunstgeschichte zur Analyse der Symboliken beitragen? Wie helfen medienmimetische Ansätze, die Anähnlichung von Medium und Inhalt zu konzeptualisieren? Was lehrt die Alltags- und Möbelgeschichte der Vormoderne über den Umgang mit diesen Dingen? Der Text ist dann auch dahingehend strukturiert, dass ich mich bemüht habe, diese einzelnen Zugriffe zu beleuchten, aber immer wieder die Verbindung betont habe.“
Was war für Sie die größte Herausforderung bei der Arbeit an diesem Buch?
„Die größte Herausforderung war gleichzeitig die größte Freiheit: Zu Intarsien als eigenständiges Bildmedium gibt es bislang einfach nur sehr wenige Abhandlungen, die sich meistens lediglich mit den technischen Bedingungen auseinandersetzen. Die Inhalte der intarsierten Darstellungen rückten damit oft in den Hintergrund. Intarsien wurden als repetitives Kunsthandwerk verstanden und ihre Bilder damit keiner Analyse unterzogen. Ich habe hingegen gerade die Vehemenz der Wiederholung als symptomatisch verstanden und inhaltliche Analysen versucht, die ikonologische Lesarten mit Technikreflexion verbinden. Damit habe ich mich auf neues Terrain – zumindest was die Intarsien betrifft – begeben.
Insgesamt ist die Arbeit an dem Buch häufig von Aneignungen geprägt gewesen, ich musste Ideen, Thesen und Theorien auf mein Thema hin lesen und anpassen oder übertragen. Das war häufig herausfordernd, aber am Ende auch bereichernd.“
Und zum Schluss: Was wünschen Sie sich, dass Leser:innen aus der Lektüre Ihres Werks mitnehmen?
„Das Buch versteht sich als ein Angebot an Leser:innen, sich diejenigen Inhalte herauszuziehen, die sie für sinnvoll oder anregend halten. Ich habe bewusst versucht, keine lineare und geschlossene Geschichte zu erzählen, sondern eine fragmentierte – oder eben gespaltene. Das Buch lässt sich von daher auch gut in seinen einzelnen Kapiteln oder Zugriffen rezipieren.
Darüber hinaus würde ich mir wünschen, dass Leser:innen eben diesen interdisziplinären Ansatz als ganzen mitnehmen. Sowohl in der Kunstgeschichte als auch in der Medienwissenschaft – diejenigen Disziplinen, an deren Schnittstelle sich diese Arbeit verortet – gibt es in den letzten Jahren und Jahrzehnten intensive Auseinandersetzungen mit den symbolischen aber auch physischen Eigenschaften sowie der Agency von Materialien. Das halte ich für sehr bereichernd. Mein Buch verortet sich in dieser Entwicklung: Material und Form, Medium und Inhalt sind nicht getrennt voneinander zu betrachten, sondern bedingen sich gegenseitig.“
Intarsien der Renaissance lassen sich nicht eindeutig zuordnen und schaffen stattdessen halluzinatorische Räume, in denen ontologische Distinktionen verunmöglicht werden. Material, Funktion, Herstellung und Darstellung greifen hier untrennbar ineinander und schaffen eine dem Medium eigene Bildsprache. Anhand ihrer unzähligen Trompe-l’Œils wird eine auf Nachahmung beruhende Repräsentationslogik in Frage gestellt und stattdessen eine exzessive, überbordende und um sich greifende Mimesis exponiert. Die Arbeit nähert sich dem durch und durch hybriden Gegenstand der Holzeinlegearbeit mithilfe unterschiedlicher disziplinärer Blickwinkel und liefert eine medienmaterialistische und kulturtechnische Analyse.