Musik und Erinnerung

04.11.2025

Eine Einführung in die musikwissenschaftliche Erinnerungsforschung

Schwebendes Buch auf der rechten Seite des Bildes. Links ist das Portrait der Autorin Melanie Unseld zu sehen. Hintergrund ist das verblasste Cover.

Interview mit der Autorin Prof. Dr. Melanie Unseld

Wie hängen Musik und Erinnerung zusammen? Warum prägt sich etwas so Flüchtiges wie eine Melodie besonders hartnäckig in unserem Gedächtnis? Das Werk Musik und Erinnerung. Ein Studienbuch ist eine Einführung in die musikwissenschaftliche Erinnerungsforschung. An die Ansätze der interdisziplinären Gedächtnis- und Erinnerungsforschung anknüpfend, geht es unter anderem darum, wie das flüchtige Medium Musik überhaupt gespeichert werden kann, wie sich Musik an sich selbst „erinnert“ und welche Formen Souvenir- und Memorial-Kompositionen annehmen können. Die Autorin Melanie Unseld gibt im Interview mit unserem Verlag Einblicke in ihr neu erschienenes Werk:

Ihr Werk ist interdisziplinär geprägt. Welche Impulse aus anderen Disziplinen haben Ihre Arbeit an „Musik und Erinnerung“ besonders beeinflusst?

„Kaum ein Thema, mit dem ich mich bislang befasst habe, ist derart interdisziplinär, das meint: derart interessant für eine Fülle unterschiedlichster Disziplinen und Forschungsfelder. Es gibt im Grunde keine Disziplin, die sich nicht mit dem Thema Erinnerung befasst – oder zumindest befassen könnte. Mich hat dabei schon immer die schiere Breite der Disziplinen fasziniert. Deshalb möchte ich hier auch keine Disziplin herausgreifen, sondern vielmehr betonen, dass gerade auch das Zusammenspiel der verschiedenen Disziplinen für das Nachdenken über Erinnern und Vergessen von enormem Mehrwert ist.“

Im Klappentext wird erwähnt, dass es u. a. darum geht, wie Musik sich an sich selbst „erinnert“. Was genau – vereinfacht erklärt – ist damit gemeint?

„Denken Sie zum Beispiel an Filmmusik. Häufig erkennen wir den ‚Bösewicht‘ an seiner Musik. Warum? Weil der Filmscore uns anbietet, eine markante Melodie, einen charakteristischen Rhythmus oder anderes musikalisches Material mit dieser Figur zu verbinden. Ist dieses markante akustische Signet erst einmal etabliert, erkennen wir es hörend immer wieder – selbst dann, wenn die entsprechende Filmfigur gerade nicht zu sehen ist. Das heißt: Im Filmscore kann an bereits gehörte Musik erinnert werden. Diese kompositorische Technik gibt es freilich schon lange, bevor der Film sie übernommen hat. Sie zeigt, wie plastisch wir uns an Akustisches erinnern können.“

Das Studienbuch richtet sich sowohl an Studierende als auch an Praktiker:innen. Welche Impulse möchten Sie diesen unterschiedlichen Zielgruppen besonders mitgeben?

„Als ich das Buch schrieb, habe ich an Studierende gedacht. Ich möchte Studierende aller Disziplinen damit einladen, sich mit Fragen von Musik und Erinnern auseinanderzusetzen. Für diejenigen, die Musikwissenschaft studieren, geht es mir vor allem darum, einen Rahmen zu schaffen, in dem sie sich auch theoretisch-methodisch orientieren können: Was gibt es? Wozu wurde bislang geforscht? Woran kann ich anschließen und weitergehen? Ich möchte dazu anregen, eigene Themen und Fragestellungen daraufhin abzuklopfen, ob sie aus erinnerungskultureller Perspektive beleuchtet werden können und welcher Mehrwert dadurch möglicherweise entsteht. Praktiker:innen mögen sich durch die Lektüre meines Buches eingeladen fühlen, tiefer in die Materie des Erinnerns und Vergessens einzusteigen und Querbezüge zu erkennen. Viele Berufsfelder befassen sich mit dem Aufbewahren, Archivieren oder mit dem Ausheben und Transformieren von Erinnerungen, mit dem Spurenlesen des Vergessenen etc. Größere Zusammenhänge zu erkennen, könnte Kooperationen fördern, Ideen unterstützen. Egal ob Studierende oder Praktiker:innen: Ich möchte dazu anregen, die Gegenwart – und damit das eigene Hier und Jetzt – als wichtigen Ausgangspunkt des Erinnerns zu verstehen.“

Kaum ein Thema, mit dem ich mich bislang befasst habe, ist derart interdisziplinär, das meint: derart interessant für eine Fülle unterschiedlichster Disziplinen und Forschungsfelder. Es gibt im Grunde keine Disziplin, die sich nicht mit dem Thema Erinnerung befasst – oder zumindest befassen könnte.

Prof. Dr. Melanie Unseld

 

 

Das im Bild enthaltene Porträtfoto von Prof. Dr. Melanie Unseld wurde von Martin Schoberer aufgenommen.